Mit “Becoming Elizabeth” steht uns also wieder einmal – wie so oft in letzter Zeit – eine historische Serie aus der englischen Geschichte ins Haus. Die Ankündigung hat mich ehrlich gesagt sehr nervös gemacht, wenn nicht sogar latent panisch. Denn immerhin stecken der Sender Starz und Autorin und Showrunner Emma Frost hinter “Becoming Elizabeth”… in den letzten Jahren hat uns dieses Team die TV-Verfilmungen der “Cousin’s War”-Buchreihe von Autorin Philippa Gregory beschert, die mit “The White Queen” noch okay anfing, mit “The White Princess” (woran, anders als bei der Vorgängerserie, die BBC nicht mehr beteligt war) steil bergab ging und zuletzt mit “The Spanish Princess” ins Bodenlose abrutschte.

Was würde uns nun angesichts dieser Vorgeschichte bei “Becoming Elizabeth” erwarten? Eine zickige Teenie-Elizabeth, die auf ihre Rechte als Frau pocht? Eine böse Antagonistin Mary I., die aus reiner Böswilligkeit ihre Halbschwester vom Thron fernhält? Ärmellose Kleider und moderne Musik?

Am 12.06. ist “Becoming Elizabeth” auf dem Starzplay-Channel bei Amazon gestartet und liefert wöchentlich sonntags eine neue Folge. Ich habe mir alle bisherigen Folgen angeschaut und teile heute meine bisherige Meinung mit Dir.

Anmerkung: Ich werde die Staffel zu Ende schauen und diesen Artikel updaten, falls sich meine Meinung noch ändert, und erweitern, wenn ich Neues erfahre.

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“Becoming Elizabeth”: Worum geht es?

“Becoming Elizabeth” erzählt die frühen Jahre von Prinzessin Elizabeth, bevor sie als große Königin Elizabeth I. in die Geschichtsbücher einging. Die Cast steht u. a. aus der deutschen Schauspielerin Alicia von Rittberg als Elizabeth, Jessica Raine (“Call the Midwife” und “Wolf Hall“) als Catherine Parr, Tom Cullen (“Downton Abbey“) als Thomas Seymour, John Heffernan als Edward Seymour, Romola Garai als Mary Tudor (spätere Mary I.) und Oliver Zetterström als Edward VI. Besonders gespannt bin ich, wie sich Bella Ramsey, die in “Game of Thrones” als Lyanna Mormont für Aufsehen sorgte, als Lady Jane Grey machen wird.

Die Handlung beginnt im Januar 1547, als der Sarg Heinrichs VIII. in strömenden Regen zu seiner Aufbahrung transportiert wird. Sehr schönes Detail für die Geschichtsfans sind die Hunde, die am Sarg lecken.

Man holt die Kinder des Königs zusammen, um sie vom Tod des Vaters zu unterrichten und Heinrichs einzigen Sohn Edward zum König auszurufen. Sofort nimmt Edward Seymour, der Onkel des jungen Königs, den Jungen unter seine Fittiche und die Geschicke des Landes in seine Hand.

Heinrichs Witwe Catherine Parr hingegen tröstet sich unmittelbar mit Edward Seymours Bruder Thomas, der scheinbar schon länger ihr Bett wärmt.

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In all diesen Wirren sucht Elizabeth nach ihrem Platz, denn sie steht zwar als Halbschwester des Königs in der Thronfolge, doch aufgrund der Umstände ihrer Geburt sehen Teile des Landes sie noch immer als illegitim an. Wir erinnern uns: Um ihre Mutter Anne Boleyn heiraten zu können, vollzog Heinrich VIII. die Trennung von der katholischen Kirche und die Gründung seiner eigenen Kirche.

Elizabeth wird in den Haushalt ihrer Stiefmutter Catherine Parr aufgenommen, wo Thomas Seymour ihr spielerische Avanchen macht, die zunehmend ernst werden. Ein Spiel mit dem Feuer beginnt, denn für einen Thronerben ist es Verrat, ohne die Zustimmung des Monarchen und seines Rates zu heiraten oder auch nur zu versuchen, eine Ehe zu arrangieren. Gleiches gilt auch für den, der versucht, einen Thronerben ohne Erlaubnis zu heiraten.

Pros und Contras

Was hat mir nun nach zwei Folgen gefallen und was nicht? Um es vorweg zu nehmen: “Becoming Elizabeth” ist nicht so schlimm wie erwartet, aber hat ein paar sehr heikle Punkte.

Ein großer Pluspunkt ist die Ausstattung. Sie ist sicher nicht perfekt, und ich bin auch kein Experte für historische Kostüme. Aber man sieht, dass sich zumindest Mühe gegeben wurde, ein Ambiente zu erschaffen, das es dem Zuschauer erlaubt, ins historische Setting einzutauchen. Das ist etwas, was wahrlich nicht alle Serien der letzten Jahre von sich behaupten können (looking at you, Reign and Spanish Princess!).

Wobei allerdings erneut geschwächelt wurde: Kopfbedeckungen. Lustigerweise sind es hier eher die Männer, die viel zu selten Kopfbedeckungen tragen, obwohl es angemessen wäre. Aber bei den Damen findet man erfreulicherweise öfter Hauben als in anderen Period Dramas. Noch immer zu wenig, aber Fortschritt ist erkennbar. Zu jener Zeit zeigten Frauen ihr Haar nicht komplett unbedeckt, und dennoch kann man die Verfilmungen, bei denen ausreichend Hauben getragen wurden, mit der Lupe suchen. Ich denke, das liegt vermutlich daran, dass die Filmemacher fürchten, man könne die weiblichen Rollen nicht mehr auseinander halten, wenn man ihr Haar nicht sieht. Denn bekanntlich ist Haar und Haarfarbe das Einzige, das Frauen voneinander unterscheidet. Ironie aus.

Mit Catherine Parrs Darstellung bin ich jedoch überhaupt nicht glücklich. Die hochgebildete Frau, die Heinrich und dessen Kinder zum allerersten Mal zu so etwas wie einem Familienleben zusammen brachte, wird hier zu einer skrupellosen Strategin, die scheinbar bereits seit langem eine Affäre mit Thomas Seymour hat.  Herrjeh, sie war die erste Frau, die jemals in England ein literarisches, englisches Werk unter eigenem Namen veröffentlicht hat. Und davon sehe ich hier wenig.

Außerdem mag es stimmen, dass Catherine bereits vor der Ehe mit Heinrich VIII. ein Auge auf Thomas Seymour geworfen hat, doch dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die beiden bereits zu Lebzeiten des Königs eine Affäre hatten. Außerdem findet der Umstand, dass Thomas Seymour noch vor der Heirat mit Catherine Parr um Elizabeths Hand anhielt, keine Erwähnung (mehr dazu weiter unten im Faktencheck!).

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Die Häufigkeit des F-Wortes (in der englischen Version) war mir etwas zu hoch. Aber zum Glück war die Art und Weise, auf die ansonsten gesprochen wurde, Period-Drama-verträglich.

Und dann wird sich eine gewisse Gruppe seltsamer Leute mal wieder aufregen. Oh nein, da ist ja ein Schwarzer zur Tudorzeit. Genau genommen sogar zwei.

Da ich politischen Diskussionen nach Möglichkeit immer ausweiche, nur soviel: Ich halte nicht viel davon, im Period Drama die Rollen von historischen Personen farbenblind zu besetzen – in keine Richtung. Generell halte ich nichts davon, diese Rollen mit Schauspielern zu besetzen, die überhaupt nichts mit der verkörperten Person gemein haben. Auch Jonathan Rhys Myers passte da z. B. überhaupt nicht in seine Rolle. Und dass ich auch abseits von Ethnien viel Wert auf historische Korrektheit lege, habe ich bereits in zahllosen Blogartikeln zum Ausdruck gebracht. Anders als die, die ihre Liebe zur historischen Korrektheit einzig bei der Hautfarbe entdecken und ansonsten “Vikings” und Co. für ganz tolle Geschichtsverfilmungen halten.

Aber, und das ist ein großes Aber: Es ist schlicht falsch, anzunehmen, dass es im 16. Jahrhundert in Europa keine andere Hautfarbe als rein weiß gab. Klar war der Hochadel ein anderes Thema. Aber ein spanischer Gesandter zu jener Zeit muss nicht zwingend weiß gewesen sein. Und dann der Charakter, an dem sich wohl die meisten stören: Sir Pedro de Negro, ein Soldat, der an der Seite von Edward Seymour im Kampf gegen die Schotten zu sehen war. Er ist in der Tat eine historische Person, und zwar ein spanischer Söldner, über den es hieß, er sei Maure oder habe maurische Wurzeln. Heinrich VIII. heuerte ihn und seine Gruppe zum Kampf gegen die Schotten während des “Rough Wooing” an. Nach der Schlacht von Pinkie Cleugh wurde er von Edward Seymour zum Ritter geschlagen, starb jedoch bereits 1551 am englischen Schweißfieber. Ich finde gut, dass sich die Zeit genommen wird, auch einen solchen Charakter einzubauen und vorzustellen. Das sollte viel häufiger passieren.

Der nächste, meiner Meinung nach viel relevantere Diskussionspunkt ist die Beziehung zwischen Elizabeth und Thomas Seymour. In “Becoming Elizabeth” hegt Elizabeth Gefühle für ihren “Stiefvater”. Überliefert ist, dass Thomas Seymour unvollständig bekleidet frühmorgens in die Gemächer Elizabeths platzte und zu ihr ins Bett stieg, sie kitzelte und auf den Po klapste. Dies schien Elizabeth jedoch nicht recht zu sein – und ihrer Erzieherin Kat Ashley noch weniger. Darum begann Elizabeth, früher aufzustehen, um bereits angezogen zu sein, wenn Seymour in ihr Gemach kam.

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Hier muss man sich vor Augen halten, dass Elizabeth zu jener Zeit weder ein Kind noch eine erwachsene Frau gewesen ist. Sie war 14 Jahre alt, während Thomas Seymour mit 39 Jahren fast dreimal so alt war. Und auch, wenn sich dieses Alter nicht mit 14-Jährigen der heutigen Zeit vergleichen lässt, wurde ein Mädchen auch zur Tudorzeit mit 14 Jahren als zu jung für Sexualität gesehen. Ehelicher Verkehr wurde in der Regel erst ab 16 aufgenommen, und Elizabeths Urgroßmutter Margaret Beaufort war eine absolute Ausnahme (die zudem, nachdem sie sehr jung Mutter wurde, fast mit ihrem Leben bezahlt hatte und zudem nie wieder ein Kind empfing).

Die ganze Angelegenheit ist Anlass zu mancher Diskussion unter Historikern. Doch steht fest, dass das Verhalten von Thomas Seymour auch zu jener Zeit als unangemessen empfunden wurde. Historikerin und Autorin Claire Ridgway nennt es “Belästigung im besten und Missbrauch im schlimmsten Fall. Daher geht mir die Romantisierung, die “Becoming Elizabeth” dieser Beziehung angedeihen lässt, deutlich zu weit.

Update 21.06.: Inzwischen hat sich unter dem YouTube-Video von Claire Ridgway, indem sie genau diese Romantisierung kritisiert, Schauspieler Tom Cullen, der Thomas Seymour in der Serie darstellt, zu Wort gemeldet und unsere Befürchtungen entkräftet. Respekt für sein Statement!

 

Becoming Elizabeth: Würdiges Porträt oder skandalöser Unsinn?

Faktencheck “Becoming Elizabeth”

  • Edward, Elizabeth und Mary haben nicht gemeinsam vom Tod ihres Vaters erfahren. Edward und Elizabeth waren am selben Ort, Mary nicht.
  • Edward Seymour wird von Beginn an als Herzog von Somerset angesprochen. In Wahrheit erhielt er diesen Titel erst mit seiner Ernennung zum Lordprotektor. Vorher trug er nur den Titel Earl of Hertford.
  • Bereits im Februar 1547 hat Thomas Seymour um Prinzessin Elizabeth geworben, vermutlich, um im Rennen um die Macht nicht von seinem Bruder abgehängt zu werden. Elizabeth lehnte mit dem Hinweis auf ihr Alter (sie war gerade einmal 13 Jahre alt) und die Trauerzeit für ihren Vater ab. Erst danach umwarb und heiratete Seymour Catherine Parr.
  • Bei seinen “scherzhaften” Bemühungen, den Haushalt zu wecken, hat Thomas Seymour keineswegs den ganzen Haushalt geweckt – er ging gezielt nur in die Gemächer von Elizabeth.
  • wird im weiteren Verlauf der Serie fortgesetzt!

 

So kannst Du “Becoming Elizabeth” anschauen

“Becoming Elizabeth” läuft auf dem Amazon Prime Channel Starzplay seit dem 12.06. Jeden Sonntag erscheint eine neue Folge.

Hast Du den Starzplay-Channel noch nie benutzt, kannst Du ihn sieben Tage lang kostenlos testen. Und noch bis zum 30.06. läuft eine Sonderaktion, bei der Du den Channel drei Monate lang für 1,99€ pro Monat bekommst (danach 4,99€, monatlich kündbar).

 

 

 

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