Als das Auge Heinrichs VIII. auf Catherine Parr fiel, war die Tragödie seiner fünften Ehe gerade einmal ein Jahr her. Doch Heinrich war kein Mann, der lange allein blieb. Die Lehren aus seiner (im wahrsten, bittersten Sinne) kopflosen Liebe zu der blutjungen Katherine Howard waren allerdings noch sehr frisch – nicht noch einmal würde er den Verlockungen einer jungen Unschuld auf den Leim gehen! Eine Witwe sollte es dieses Mal sein. Doch Catherine Parr hatte ursprünglich andere Pläne gehabt.

 

Catherine Parr, das Mädchen

Catherine Parr wurde im Jahr 1512 geboren; ihr genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert. Ihre Familie konnte auf hochgeborene Vorfahren zurückblicken und war eine der wichtigsten Familien des nordenglischen Landadels. Catherines Mutter Maud war eine enge Vertraute der ersten Königin Heinrichs VIII., Katharina von Aragon. Catherine wurde wahrscheinlich nach der Königin benannt, die auch ihre Taufpatin war.

Catherine Vater starb 1517, und so zog Maud ihre Tochter und deren zwei jüngeren Geschwister groß. Schon früh zeigte Catherine großes Talent und Interesse an ihrer Ausbildung, sprach schnell mehrere Sprachen fließend und war sogar gebildeter als die hochintelligente und wortgewandte Anne Boleyn.

Mit 17 heiratete Catherine Sir Edward Borough. Beide Ehepartner waren einander nicht abgeneigt, und die Ehe hätte glücklich sein können, wäre Edward nicht mit schlechter Gesundheit und einem Tyrannen als Vater gestraft gewesen. Bereits 1533 starb Edward und ließ Catherine 21-jährig als Witwe zurück. Verständlicherweise verspürte sie nicht den Wunsch, bei seiner Familie zu bleiben und verließ ihr gemeinsames Heim.

 

Catherine Parr, die Ehefrau

Im Jahr darauf heiratete Catherine John Neville, den 3. Baron Latimer, der nahezu doppelt Catherine Parrso alt wie sie war. Sie bemühte sich, eine gute Ehefrau zu sein und nahm sich auch ihrer beiden Stiefkinder an. Latimer war ein Verfechter des alten Glaubens und stellte sich, als des Königs “große Angelegenheit”, also die Scheidung von Katharina von Aragon, in Gang kam, auf die Seite der katholischen Kirche. Er geriet in ein großes Dilemma, als katholische Aufständische im Kielwasser des Pilgrimage of Grace ihn als Geisel nahmen und ihn zwangen, sich auf ihre Seite zu stellen.

Eine Meinung zu haben war eine Sache, an einem offenen Aufstand gegen den König teilzuhaben, eine ganz andere. Catherine lebte lange in Angst um ihren Mann und ihre Familie, und vermutlich begann sie während dieser Zeit, sich dem protestantischen Gedankengut zuzuwenden.

Nachdem der Aufstand niedergeschlagen worden war, wurde Latimer zwar nicht belangt, doch hatte sein Ruf schwer gelitten. Heinrichs Generalvikar Thomas Cromwell erpresste Latimer regelmäßig dazu, in seinem Sinn im Parlament abzustimmen, und erst nach Cromwells Tod 1540 konnte Latimer seinen Ruf wiederherstellen. 1543 schließlich starb Latimer und hinterließ Catherine als wohlhabende Witwe.

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Die Favoritin

Catherine kam als Hofdame der Lady Mary an den Hof. Doch die Stimmung war gedrückt: Heinrich VIII. war nach der Hinrichtung von Katherine Howard konstant niedergeschlagen und oftmals misstrauisch. Es war sogar ein neues Gesetz erlassen worden, dass es für eine königliche Ehefrau zum Verbrechen machte, voreheliche Amouren geheim zu halten.

Catherine Parr war nach zweifacher Witwenschaft nun frei, ihren Ehemann selbst zu wählen, sie war vermögend, und ihr Aussehen war nicht von Schwangerschaft gezeichnet. Für jene Zeit war sie mit 31 nicht mehr jung, doch auch noch nicht zu alt, um Kinder zu bekommen. Als sie nun am Hof erneut auf Thomas Seymour traf, den sie während der Regentschaft seiner Schwester Jane kennengelernt hatte, wurde das gegenseitige Interesse offensichtlich. Catherine sah in Thomas wohl ihre letzte Chance auf eine glückliche Ehe und Kinder, Thomas hingegen spekulierte wohl hauptsächlich auf ihr Vermögen und ihren Ruf.

Doch Thomas bekam einen mächtigen Nebenbuhler, nämlich den König. Für Heinrich war Catherine Parr zu jenem Zeitpunkt wohl die perfekte Frau: Sie war Witwe, also kam das Thema vorehelicher Beziehungen nicht auf. Sie war nüchtern und ruhig und nahezu doppelt so alt wie der verräterische Teenager Katherine Howard. Heinrich verliebte sich in Catherine, verteilte Zuwendungen an ihre Familie und stellte sie sogar seinen Kindern vor.

Catherine wollte allerdings nicht Königin werden. Sie hatte das Schicksal ihrer Vorgängerinnen Anne Boleyn und Katherine Howard miterlebt. Sie soll dem König sogar zuerst gesagt haben, sie würde lieber seine Geliebte anstatt seine Ehefrau werden. Und Heinrich war welt davon entfernt, ein Märchenprinz zu sein: Er war fett, von Gebrechen geplagt und mit einem unheiligen Temperament. Zudem hatte Catherine sich Thomas als Ehemann gewünscht. Sie suchte die Antwort auf ihre Notlage im Gebet und war schließlich der Meinung, Gott habe es für sie vorgesehen, Königin zu werden.

Heinrich machte Catherine im Mai 1543 einen Heiratsantrag, den sie annahm. Thomas Seymour wurde als Botschafter nach Brüssel und aus Catherines Augen geschickt. Zwei Wochen später heirateten Heinrich und Catherine.

 

Die Königin

Catherine hatte bereits einen alten Ehemann gepflegt und kümmerte sich nun um Heinrich, lenkte ihn von seinen gesundheitlichen Leiden ab, sprach mit ihm über Religion und kümmerte sich um seine Kinder. Sie kümmerte sich auch um deren Ausbildung, und da sie nun, in könglichen Kreisen, Zugang zu noch mehr Bildung als in ihrer Kindheit hatte, bildetet sie sich ebenfalls selbst weiter. So begann sie, nachdem sie Königin wurde, Spanisch als vierte Fremdsprache zu lernen.

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Ein Jahr nach der Heirat wollte Heinrich, im immer wiederkehrenden Konflikt mit Frankreich, seine Armee persönlich nach Frankreich führen. Er ernannte Catherine zur Regentin und stellte seine Kinder unter ihre Fürsorge. Um Catherine Parrs Unterschrift als KöniginGott um die Sicherheit dieser Unternehmung zu bitten, verlies sie ein selbstgeschriebenes englisches Gebet, das klare protestantische Züge zeigte.

Catherine hatte ihre katholische Erziehung hinter sich gelassen und hatte sich der neuen Religion verschrieben. Sie knüpfte Kontakte zum englischen Reformer Thomas Cranmer, der bereits eng mit der vorherigen protestantischen Vorzeigekönigin Anne Boleyn zusammengearbeitet hatte. Dem katholischen Bischof Stephen Gardiner mißfiel diese Verbindung, so wie ihm eh Frauen, die eine Meinung hatten, missfielen. Seine Jagd auf Ketzer ließ ihn auch vor der Königin nicht halt machen.

 

Die Reformerin

Catherine Parr verfasste 1545 als erste englische Königin ein Buch, “Prayers or Meditations”, was ein großer Erfolg wurde und ihr große Achtung der Bildungselite verschaffte. Ihr zweites Buch, “The Lamentations of a Sinner”, war jedoch zu riskant, um es noch zu Heinrichs Lebzeiten zu publizieren, denn die darin enthaltenen religiösen Ansichten ließen keinen Zweifel mehr an Catherine protestantischer Religion.

Da es um Heinrichs Gesundheit nicht unbedingt gut stand, sorgte Catherine sich um seine unsterbliche Seele. Sie versuchte, ihn zum protestantischen Glauben zu bekehren. Heinrich wurde dessen jedoch bald müde, und Stephen Gardiner, der die katholische Kirche schützen wollte, traf bei Heinrich auf offene Ohren. Heinrich erlaubte eine Untersuchung der Königin und ihres Glaubens.

Personen, die mit der Königin Kontakt hatten, wurden verhört, und die protestantische Dichterin Anne Askew wurde sogar als einzige Frau Englands der Folter unterworfen und schließlich wegen Ketzerei lebendig verbrannt

Hierzu muss man wissen: Auch wenn Heinrich VIII. sich vom Papst losgesagt und die anglikanische Staatskirche gegründet hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass er Protestant war. Die Katholiken und die Protestanten lieferten sich permanent politische Schlachten, und je nachdem, welche Partei gerade mehr Einfluss besaß, wurde strenger gegen Katholiken oder Protestanten vorgegangen. Heinrich war im Grunde Katholik, ohne jedoch die Autorität des Papstes anzuerkennen, und er erachtete viele Grundsätze der Protestanten als Ketzerei.

Schließlich unterschrieb Heinrich den Haftbefehl für Catherine, doch das Dokument wurde ihr zugespelt, bevor er ausgeführt werden konnte. Catherine geriet in Panik, wusste sie doch um das Schicksal ihrer Vorgängerinnen. Sie stand vor der Wahl, sich Heinrich und seinem Glauben zu unterwerfen oder ihr Leben zu riskieren.

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Catherine suchte Heinrich auf, und König und Königin sprachen bis in die Nacht hinein miteinander. Sie sagte ihm, sie habe nur von ihm lernen und ihn nicht bekehren wollen, da sie dies als Frau ja gar nicht könne. Am Ende der Nacht war Heinrich von der Unschuld seiner Frau überzeugt und versöhnt. Als die beiden am nächsten Tag gemeinsam im Garten spazieren gingen, erschien eine Abordnung der Wache, um die Königin festzunehmen. Man wusste nichts von der Versöhnung und dachte, man würde noch immer den Willen des Königs ausführen. Heinrich verscheuchte die Wachen zornig, doch Catherine bat ihn, den Verschwörern gegen sie zu verzeihen.

Bezahlen musste die katholische Partei trotzdem. Gardiner wurde seiner Ämter enthoben, der Herzog von Norfolk sogar im Tower inhaftiert. Ihn rettete lediglich der Tod Heinrichs, der ihn ereilte, bevor er Norfolks Todesurteil unterschreiben konnte.

 

Die Königswitwe

Heinrich starb am 28.01.1547. Catherine konnte sich nun ihrem Leben zuwenden, und schließlich heiratete sie Thomas Seymour bereits im Mai 1547. Dass sie keine angemessene Trauerzeit einhielt, sorgte für einen kleinen Skandal, und weder Mary noch Edward nahmen dies besonders positiv auf.

Catherines Stieftochter Elizabeth zog in ihren Haushalt ein, und Catherine schien alles in ihrem Leben zu haben, was sie sich gewünscht hatte. Spätestens, als Catherine im darauffolgenden Jahr schwanger wurde, schien die Harmonie perfekt. Doch noch während ihrer Schwangerschaft entdeckte sie, dass ihr Ehemann plante, sie durch ihre Stieftochter zu ersetzen. Die zukünftige Königin erschien ihm wohl als vielversprechender als die ehemalige Königin. Catherine war am Boden zerstört und verwies Elizabeth des Hauses.

Als ihre Geburt näherrückte, versöhnte Catherine sich jedoch mit Elizabeth. Am 30. August 1548 brachte Catherine ein Mädchen zur Welt, erkrankte allerdings am Kindbettfieber und starb sechs Tage später. Sie wurde als Heinrichs Witwe beigesetzt, und ihre Beerdigung war das erste königliche protestantische Begräbnis. Die Spuren ihrer Tochter verlieren sich im Nebel der Geschichte, doch Catherine Parrs ehrgeiziger Ehemann Thomas Seymour wurde im Jahr nach Catherines Tod wegen Hochverrat hingerichtet.

Sechs Frauen, ein König und eine die Jahrhunderte überdauernde Faszination – das bewegte Eheleben Heinrichs VIII. wird noch lange Zeit Stoff für Forscher, Autoren und Filmemacher liefern. Oder einfach die Fantasie in eine andere Welt entführen.

Die sechs Frauen Heinrichs VIII.:

Katharina von Aragon

Anne Boleyn

Jane Seymour

Anna von Kleve

Katherine Howard

 

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1 Comment

  1. Plantage nett! says:

    Wenn man Wikipedia Glauben schenken darf, war Parr nicht wirklich eifersüchtig auf Elisabeth. Ihr Mann Seymour hat ihr Mündel + Stieftochter nur sexuell belästigt und öfters betatscht. Die Verbannung geschah somit eher zu Elisabeths Schutz und der Rufwahrung.

    Wenn man die Vita des späteren Thomas Seymour liest, passt das auch besser in sein Profil als Krankhaft Ehrgeiziger.

    Ansonsten spitzen Artikel! Viele Details kannte ich noch nicht. weiter so! 🙂

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