Mr Selfridge: Der Name ist Programm, denn die Serie erzählt die Geschichte von Harry Gordon Selfridge, dem Gründer des bis heute existenten Londoner Kaufhauses Selfridge’s. Der Amerikaner, der in die alte Welt kam und das Konzept des Einzelhandels auf den Kopf stellte.
“Ist London bereit für all das?”
Die Produktion des britischen Senders ITV startet im Jahr 1908, ein Jahr vor der Gründung von Harry Selfridges Kaufhaus. Selfridge (Jeremy Piven) kauft ein Grundstück am – damals – unattraktiven Ende der Oxford Street, stellt bereits Mitarbeiter ein und plant Unsummen für Werbung ein – sein vorsichtiger Buchhalter Crabb rauft sich die Haare. Selfridge will nicht klein anfangen, wie die anderen Kaufhäuser es getan haben. Nein, sein Kaufhaus soll gleich groß starten, und es soll den Kunden nicht nur Waren, sondern ein Einkaufserlebnis bieten. Statt die Kunden möglichst schnell zum Kauf zu bewegen und dann aus dem Laden zu echauffieren, sollen sie sich bei Selfridge’s so lange wie möglich aufhalten und nach Herzenslust stöbern. Eine unerhörte Revolution für das London des frühen 20. Jahrhundert. Selfridge bringt amerikanisches Flair, auf das die Londoner noch nicht gefasst sind. Gleichzeitig erarbeitet er sich einen Ruf auf dem gesellschaftlichen Parkett, schmiedet geschäftliche Bündnisse genauso wie Amouren.
Als Chef holt Selfridge, selbst nur Sohn eines kleinen Ladenbesitzers, der sich nach oben gearbeitet hat, seine Mitarbeiter mit ins Boot: Statt Befehlen und Weisungen gibt es Vorschussvertrauen und Motivationsreden. Hier kommt ein neuer Unternehmenstyp zum Vorschein, kein Boss, sondern ein Anführer.
Eine Serie wäre natürlich nicht perfekt ohne ein interessantes Charaktergeflecht. Da gibt es die extravagante Lady Mae, Selfridges Einstieg in die englische Oberschicht, die Nachtclubtänzerin Ellen Love, nicht nur “Gesicht von Selfridge”, sondern auch Harrys Geliebte, sowie die Abteilungsleiter Roger Grove und Josie Madle (die aus “Sherlock” bekannte Amanda Abbington), die eine geheime Affäre führen. Und zu guter Letzt die unscheinbare Verkäuferin Agnes Towler, die wegen Harry und seinem ungewöhnlichen Käuferverhalten ihren Job verliert und dann die Chance erhält, sich bei Selfridge’s zu beweisen.
Warum mir Mr Selfridge gefällt
Hier erst mal das Ungewöhnliche: Was die Lebensgeschichte des echten Harry Selfridge betrifft, so hält die Serie sich nur lose an Fakten. Aber für mich ist das okay. Mir macht es wenig aus, wer genau seine Mätressen waren, oder ob seine Frau einen Flirt mit einem jungen Maler hatte. Ich finde es spannend, am Beispiel dieses Kaufhauses zwei Dinge zu sehen:
Zum einen ist gerade die erste Staffel immer wieder ein Lehrstück in puncto Wirtschaft, Marketing, PR und Unternehmensführung. Als Kauffrau und Unternehmerin für mich natürlich sehr spannend! U.a. auf Harry Selfridge geht immerhin der Spruch “Der Kunde ist König” (engl. “The customer is always right”) zurück. Und viele moderne Chefs können sich Personalführung aus dieser Serie abgucken. Auch wenn man dem Wirbelwind Selfridge hin und wieder zurufen möchte: “Tritt mal auf die Bremse!”
Zum anderen ist diese Zeit der nahenden Umbrüche Anfang des 20. Jahrhunderts sehr spannend. Nicht unbedingt eine Zeit, in der ich mich gut auskenne, doch da mit Downton Abbey eine meiner Lieblingsserien in fast der gleichen Zeit spielt, erkennt man einiges wieder. Patriotismus, die Rolle der Frau, technischer Fortschritt, Ausbr
uch, Verlauf und Folgen des 1. Weltkriegs.
Und in diese Zeit des Umbruchs platzt ein Amerikaner mit Vorstellungen, die für die Londoner Gesellschaft aufregend bis schockierend waren – mir hat jede Folge viel Spaß gemacht.
Fun Facts:
- für Selfridge’s standen von Beginn an die Frauen im Mittelpunkt. Das Kaufhaus war das erste, das mit Damentoiletten ausgestattet wurde – dem stundenlangen Damen-Shoppingvergnügen stand nun nichts mehr im Weg.
- Für Harry Selfridge war die Eröffnung seines Londoner Kaufhauses im Jahr 1909 so bedeutend, dass er den zweiten Vornamen Gordon annahm, um die große Veränderung zu symbolisieren.
- 1910 fügte Selfridge seinem Kaufhaus eine Kosmetikabteilung in der Nähe des Eingangs hinzu – ein Schritt, der Kaufhausstrukturen bis heute prägt.
- Nicht nur “The customer is always right”, sondern auch der Ausdruck “Business as usual” geht auf Harry Selfridge zurück. Er prägte ihn, als er während des Ersten Weltkriegs Frauen einstellte, um den üblichen Kaufhausbetrieb auch ohne wehrfähige Männer aufrecht zu erhalten.
- Auch wenn Selfridge’s das flächenmäßig größte Kaufhaus der Oxford Street ist, in puncto Umsatz ist es nur Platz zwei – nach Harrod’s.
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Linktipps:
Londontopia: Mr Selfridge: 10 Facts and Figures You Might Not Know about Selfridges in London
Selfridge’s: Our heritage
The Worm Hole: When TV Deviates More Than Usual: Comparing ITV’s Mr Selfridge And Lindy Woodhead’s Book
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