Der Morgen, nachdem Harry und Meghan ihr vielbeachtetes Enthüllungsinterview bei Oprah Winfrey zur besten US-amerikanischen Sendezeit hatten. Mein Telefon klingelt und eine freundliche Redakteurin von Bild live fragt mich, ob ich bereit wäre, an einer Interviewrunde zu diesem Thema teilzunehmen, da sie meinen Blog im Netz gefunden hatte. Wow… trotz Vorbehalte gegen Bild an sich habe ich zugesagt.

Die Sendung kannst Du unter diesem Link ansehen.

Die Themenausrichtung ging allerdings sehr in die Klatsch-und-Tratsch-Richtung, was ja nun nicht meine ist. Daher will ich hier noch einmal das Interview und die angesprochenen Themen im Licht der britischen Monarchie beleuchten.

Royal Wedding: Interessantes rund um die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle
Prince Harry and Meghan Markle going to church at Sandringham on Christmas Day 2017. by Mark Jones under CC BY 2.0

Zum Thema Rassismus und Mental Health

Eins ganz klar vorweg, da es große Themen sind, die aber eher die menschliche als die royale Ebene berühren: Weder Rassismus noch Missachtung von psychischen Problemen sollten einen Platz in unserer Gesellschaft haben. Die traurige Wahrheit ist allerdings: Sie sind dennoch da. Und viele von uns werden, wenn wir mit unseren Großeltern sprechen, auf Vorbehalte gegenüber anderen Ethnien als auch auf Abtun psychischer Probleme stoßen. Ich sage nicht, dass das richtig ist, aber in den älteren Generationen wurde mit diesen Themen ganz anders umgegangen als heute. Gleichzeitig sage ich auch, dass wir bisher nur eine Seite der Geschichte kennen und diese nicht automatisch der Wahrheit entsprechen muss.

 

Archies Titel

Archie, der Sohn von Harry und Meghan, hat nicht den Titel “Prince” verliehen bekommen und daher auch keine Security durch den Palast erhalten. Im Interview mit Oprah schob Meghan dies auf seine Abstammung, und dass es eine Abweichung vom royalen Protokoll sei. Dies ist so nicht richtig.

Ein Dekret des Großvaters von Elizabeth II., George V., aus dem Jahr 1917 hat die Vergabe von Prinzentiteln klar geregelt: Er sollte den Söhnen und Enkeln des regierenden Monarchen verliehen werden, sowie den Söhnen (seit 2013: Kindern) des ältesten Sohns des Thronfolgers.

Archie ist aber weder ein Enkel der Queen noch ein Sohn von William als ältestem Sohn des Prince of Wales. Darum bekam er genausowenig den Titel Prince wie die anderen Urenkel der Königin. Der Titel Prince stand Archie also keinesfalls zu, und er ist auch nicht der erste Sproß der Royals, der ihn nicht bekommt.

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Wenn die Königin von uns geht und Charles König wird, würde Archie den Titel Prince bekommen – denn dann wäre er ja der Enkel des Monarchen.

Als Erbe des Herzogs von Sussex hätte er allerdings den Ehrentitel Earl of Dumbarton erhalten. Dies lehnten Harry und Meghan selbst jedoch ab und entschieden, er sollte als Master Archie Harrison Mountbatten-Windsor bezeichnet werden und als Bürgerlicher aufwachsen.

 

Die Firma

Harry und Meghan: Ein Interview, das das britische Königshaus erschüttert?

Anlässlich ihres 21. Geburtstags hielt die damalige Prinzessin Elizabeth eine Radioansprache, in der sie mit den folgenden Worten ein Versprechen für ihre zukünftige Regentschaft abgab: “I declare before you all that my whole life whether it be long or short shall be devoted to your service and the service of our great imperial family to which we all belong. ” (Ich erkläre vor Ihnen allen, dass mein ganzes Leben, ob es nun lang oder kurz ist, Ihrem Dienst und dem Dienst unserer großen imperialen Familie, zu der wir alle gehören, gewidmet sein wird.)

Und an dieses Versprechen hat sich die Königin seit jeher gehalten. Die wenigen Einblicke, die wir hinter die Kulissen des Buckingham Palace bekommen, zeigen eine Frau, für die die Pflicht, dem Land zu dienen, über alles geht. So, wie sie es von ihrem Vater George VI. gelernt hat, für den der Königstitel eine enorme Bürde war. Der Film “The Queen” hat dies meiner Meinung nach sehr gut dargestellt.

Dieses Pflichtbewusstsein, zusammen mit dem Fakt, dass diese Generation den Krieg durchgestanden hat, führt dazu, dass die Königin genaue Vorstellungen davon hat, wie das britische Königshaus funktioniert und sich der Welt zeigen sollte.

Ein ungeschriebenes Gesetz, dass Queen Mum bereits 1936 in die Königsfamilie eingebracht hat, lautet: “Never complain, never explain” (Beschwere Dich nie, erkläre Dich nie). Ihre Tochter hat dies übernommen, aber auch Ausnahmen zugelassen. Dennoch ist es Usus, seinen “Job” in der Royal Family klaglos und angemessen zu verrichten, nicht zuletzt, da man das Land repräsentiert und im Gegenzug zahlreiche Privilegien genießt.

Gleichzeitig ist die “Firma”, wie die Königin angeblich die königliche Familie bzw. den königlichen Staatsapparat nennt, eben keine Firma. Es gibt kein Arbeitsrecht oder einen Betriebsrat. Sondern es gibt eine fast tausendjährige Dynastie, die man repräsentiert. Dies funktioniert nun einmal nicht ohne Regeln. Und auch nicht ohne Selbstaufopferung. Ob man das gutheißt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Bereits bei ihrer Hochzeit hatten Harry und Meghan mit einigen Traditionen gebrochen. Doch diese über  Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsenen Regularien und Traditionen werden sich nicht spontan gänzlich ändern oder abschaffen.

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Stiff Upper Lip

Diese Redensart ist tief in der britischen Kultur verwurzelt und umschreibt, was, so zumindest der Eindruck, die britische Öffentlichkeit jahrzehntelang von seinem Königshaus erwartet hat. Standfest, kontrolliert und ohne Emotionen zu zeigen Herausforderungen entgegentreten und diese meistern.

Sir Francis Drake soll erst noch seine Partie Boule beendet haben, bevor er auf die Meldung, die spanische Armada nähere sich, reagierte. Der Kapitän der Titanic organisierte die Evakuierung des Schiffs anstatt sich selbst zu retten und versank schließlich zusammen mit seinem Schiff.

Gleiches hat die Queen ihrer Familie vorgelebt. Daher ist es keine Überraschung, dass Beschwerden, gerade in der Öffentlichkeit, nicht gern gesehen werden.

 

Nach aller Kritik: Braucht es heutzutage noch Monarchien?

Die Briten haben, im Nachhinein, im 17. Jahrhundert etwas Kluges getan und ihrer Monarchie gewissermaßen den Zahn gezogen und Macht weg vom Herrscher hin zum Parlament gegeben. Dies führte schließlich zu der konstitutionellen Monarchie, die überlebte, als nach dem Ersten Weltkrieg die meisten anderen europäischen Monarchien fielen.

Heute ist das britische Königshaus ein Stück Geschichte. Die heutige Verkörperung einer Monarchie, die gegründet wurde, als Wilhelm der Eroberer 1066 in England einfiel. Und mit nur wenigen Jahren Unterbrechung nach dem Bürgerkrieg existiert diese Monarchie bis heute. Elizabeth II. ist die Nachfahrin berühmter Namen wie Victoria, ihrer Ururgroßmutter, oder James I., dem ersten Stuartkönig. Es gibt jahrhundertealte Traditionen rund um das Königshaus wie die Eröffnung des Parlaments und die vorherige Durchsuchung des Kellers (im Angedenken an die Schießpulververschwörung von Guy Fawkes). Oder das zeremonielle nächtliche Verschließen des Tower of London, die älteste, ununterbrochen durchgeführte Militärzeremonie der Welt.

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Wir haben in Deutschland einen staatlichen Repräsentanten in Person unseres Bundespräsidenten. Aber nichts für ungut: Wegen ihm kommt kein Tourist nach Deutschland. Also ist die britische Monarchie nicht nur gelebte Geschichte, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor.

 

Mein persönliches Fazit

Ich finde einiges an dieser Angelegenheit sehr merkwürdig.

Klar, sofern es institutionellen Rassismus gegeben hat: Ein No-Go. Leider ist sehr undeutlich, wem hier jetzt genau was vorgeworfen wird. Und ob die zitierte Aussage nicht auch sehr aus dem Kontext gerissen wurde.

Und die Nicht-Vergabe des Prinzentitels als Konsequenz der Abstammung darzustellen, ist faktisch falsch.

Ich würde mit keinem Mitglied des Königshauses tauschen wollen, denn der Druck muss enorm sein. Ich kann Harry und Meghan daher auch nicht verdenken, dass sie gehen wollten. Aber es fällt mir schwer, in einem aufsehenerrenden Enthüllungsinterview mit Oprah Winfrey zur besten Sendezeit, nur Stunden nach der Ansprache der Queen zum Commonwealth Day etwas anderes als den Wunsch, der Royal Family eins auszuwischen, zu sehen.

Denn schlicht und ergreifend, und unabhängig davon, ob man es gutheißt oder nicht: Das britische Königshaus wird seine alten Traditionen und Gepflogenheiten auch nicht für Meghan Markle ändern. Und falls sie das erwartet hatte, empfehle ich die Lektüre von Geschichtsbüchern.

Mir kann niemand erzählen, dass Meghan vor der Ehe Harrys Hintergrund und was es bedeutet, Mitglied der Königsfamilie zu sein, nicht recherchiert hat. Jeder, der nicht seit 1997 unter einem Stein gelebt hat, hat zumindest eine Ahnung, was dies bedeutet. Und sollte sie sich wirklich vorab nicht informiert haben, wie man sich als Mitglied der Königsfamilie verhält, sollte sie sich nicht beklagen, wenn sie wegen Fehlern kritisiert wird. Würde sie als Schauspielerin vor die Kamera treten, ohne ihren Text zu können, würde das Filmteam sicher auch nicht jubeln.

Ich bin sicher, dass Harry und Meghan unglücklich waren und kann deshalb ihren Weggang nachvollziehen. Aber Nachtreten hat noch nie einen Konflikt besser gemacht. Das britische Königshaus wird diese Angelegenheit überstehen, so wie es schon weitaus Schlimmeres überstanden hat. Ob das Gleiche für Harry und Meghan gilt, wird die Zeit zeigen.

 

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2 Comments

  1. Tristan says:

    Ich muss bei der Frage, wie die Royals ticken immer wieder an “den” englischen Spruch schlechthin denken:
    “Keep calm and carry on” (Bleibe ruhig und mache weiter).
    Im zweiten Weltkrieg als Durchhalteparole erfunden, denke ich, dass er auch gut als Lebens- und Arbeitsmotto der Queen taugt (passt ja auch gut zum Leitspruch von Queen Mum). Elisabeth wurde vom plötzlichen Königtum ihres Vaters und dessen Verzweiflung der Aufgabe gerecht zu werden, ebenso wie von den Schrecken des zweiten Weltkriegs geprägt.

    Die amerikanische C-Prominente, die laut eigener Aussage es nicht nötig hatte, im Vorfeld der Hochzeit zu recherchieren, was eine Mitgliedschaft (Einheirat) in die englische Königsfamilie bedeutet, und ihre Starallüren nicht einem Gemeinschaftsengagement unter ordnen kann: Ja, das musste leider schief gehen.
    Jetzt Medien- und Pulbicitywirksam nachzutreten, wirkt da kleinlich und ehrlich gesagt auch nach einem Marketingtrick um den überkandidelten Lebensstil (man erinnere sich an die Millionen Dollar teure Babyparty) zu finanzieren.
    Hätte sie wirklich etwas ändern wollen, hätte die Queen ihre Ohren ihrem (selbsterklärtem) Lieblingsenkel und dessen Frau gegenüber sicher nicht verschlossen.
    Selbstmordgedanken: Sind furchtbar, ganz ohne Frage. Aber für jemanden, der sie nicht kennt, kaum nachvollziehbar. Ich glaube nicht, dass man ihr verweigert hat, dass sie sich professionelle Hilfe sucht.
    Rassismus: Widerlich, aber nicht alles was sie unfair findet oder nicht versteht, ist auch gleich Rassismus (s.o. Archies Titel). Wenn es ein Mitarbeiter war: Feuern, direkt, Ende. War es ein Familienmitglied: Zur Rede stellen und klären, wie Erwachsene. Und: Harry ist ein verdammter Kriegsveteran, wenn sich da jemand gegenüber seiner Frau und seinem Baby im Ton vergreift, ist er sicher in der Lage auf den Tisch zu hauen und klar zu stellen, dass das nicht drin ist – meine Güte, er ist ein enger Freund der Obamas.

    Sie wollte da raus, sie ist da raus, was soll die Selbstinszinierung jetzt? Eine Verbesserung der Interna der britischen Royals wird sie so sicherlich nicht erreichen (wollen). Dieser ganze Auftritt/Aufriss hilft niemandem außer ihrem eigenen Ego und Bankkonto.

    (Eigentlich wollte ich nur was zum Thema “Keep calm and carry on” schreiben, aber dieses Verhalten von Meghan frustriert mich doch… kindische Geltungssucht.)

  2. Tourismus ist keine ausreichende Begründung für eine undemokratische Staatsform, die den zufällig in eine Familie Geborenen Sonderrechte und Privilegien zuschanzt.
    Touristen fänden vielleicht auch Gladiatorenkämpfe im Kolosseum toll.

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