Catherine Parr war die sechste und letzte Ehefrau Heinrich VIII., und im berühmten Abzählreim “Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived” ist sie die “Überlebende”. Doch wusstet Ihr eigentlich, wie kurz sie davor war, seine dritte enthauptete Königin zu werden?
Catherine Parr und das Religionsdilemma
Catherine Parr war eigentlich als gute Katholikin und Tochter einer engen Vertrauten Katharinas von Aragon aufgewachsen. Doch bereits das Schicksal ihres zweiten Ehemannes während des Pilgrimage of Grace hatte sie von der katholischen Kirche entfernt. Nun zeigte sie deutliche protestantische Züge. Sie kam in engen Kontakt zum großen englischen Reformer Erzbischof Thomas Cranmer, als Heinrich sie 1544 als Regentin während seines Frankreichfeldzuges einsetzte. Als Ratsmitglied hatte Cranmer die Möglichkeit, auf die Königin einzuwirken und sie vom Protestantismus gänzlich zu überzeugen. Die Rolle des inoffiziellen Lehrers in Religionsfragen hatte Cranmer bereits bei Anne Boleyn gespielt. Catherine sah nun ihre gottgegebene Aufgabe deutlich vor sich: Den König mitsamt des Königreichs vor der Verdammnis zu bewahren und den protestantischen Idealen zuzuführen.
Die protestantische Königin
Auch nach Heinrichs Rückkehr setzte Catherine ihr Bestreben fort und korrespondierte ausführlich mit protestantischen Freunden und Gelehrten. Sie verfasste sogar als erste englische Königin ein Buch mit Gebeten. Es entstand bald ein reformistischer Zirkel um die Königin, der sich am Rande der Illegalität bewegte. Denn Heinrich ging sowohl gegen die vor, die zu konservativ (also katholisch) waren als auch gegen jene, die zu radikal für den neuen Glauben kämpften. Die Konservativen unter Stephen Gardiner, Bischof von Winchester, waren alles andere als erfreut und sahen ihre Religion und ihre Position bedroht. Spätestens, als Catherine Parrs enge Freundin, die Herzogin von Suffolk, angeblich ihren Schoßhund in eine Soutane kleidete und “Gardiner” nannte, war das Maß voll. Schon einmal hatte die konservative Partei auf den Sturz einer protestantischen Königin, Anna von Kleve, hingearbeitet, um sie durch eine Katholikin, Katherine Howard, zu ersetzen. Nun schien Catherine Parr eine viel größere Bedrohung als die arglose Anna zu werden.
Die Schlinge zieht sich zu
Als Heinrich dann im Herbst 1545 wieder einmal durch sein krankes Bein ans Bett gefesselt wurde, fürchtete Catherine, dies sei nun ihre letzte Chance, des Königs Seele zu retten. Ihre ansonsten harmlosen Diskussionen über religiöse Fragen, um Heinrich seine Bettruhe erträglicher zu machen, wurden ernster. Heinrich ließ sich allerdings nicht gern belehren, und am allerwenigsten von seiner Frau. Als Gardiner eines Tages eine heftige Auseinandersetzung von König und Königin mitbekam, nutzte er die Gelegenheit und fachte Heinrichs Missmut an. Heinrich war in jenen Tagen zunehmend unleidig, cholerisch und paranoid. Gardiner sähte Zweifel an Catherines Loyalität und implizierte, sie sei das Zentrum einer ketzerischen Verschwörung gegen den König. Verschwörung – das große Spukgespenst der Tudormonarchen. Gardiners Meinungsmache traf auf Heinrichs Paranoia und fand fruchtbaren Boden. Heinrich erlaubte eine Untersuchung der Angelegenheit.
Gardiner verhörte Höflinge und deren Angehörige, die Kontakt zu Catherine hatten. Parallel stieß man auf die Reformerin Anne Askew, die in London verbotene Bücher verteilte. Anne wurde als erste und einzige Frau im Tower von London der Folter unterworfen. Man wollte erreichen, dass sie die Königin und andere Damen der Ketzerei bezichtigte. Sie tat jedoch nichts dergleichen. Als man sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen wollte, musste man sie hintragen, da ihr zerstörter Körper keinen Schritt mehr aus eigener Kraft tun konnte.
Überzeugung vs. Überleben
Auch ohne schlagkräftigen Beweis konnte der paranoide König im Sommer 1546 überzeugt werden, einen Haftbefehl für Catherine Parr zu unterzeichnen. Doch bevor er ausgeführt werden konnte, landete er auf ungeklärtem Weg in den Händen der Königin. Bereits Gardiners Untersuchung hatte sehr an Catherine Nervenkostum gezerrt. Doch als sie nun die Unterschrift ihres Ehemannes auf ihrem Haftbefehl sah, wurde sie vollends hysterisch. Schließlich hatte sie bereits an Anne Boleyn und Katherine Howard gesehen, wozu Heinrich fähig war. Sie stand nun vor einer verzweifelten Entscheidung: Sollte sie ihren Überzeugungen treu bleiben und dafür sterben oder sie leugnen und überleben?
Catherine suchte Heinrich noch am gleichen Abend auf, und beide sprachen bis tief in die Nacht miteinander. Catherine legte dar, dass ihre Meinung nur die Meinung einer Frau und daher unbedeutend sei. Neben dem Wunsch, den König von seinen Schmerzen abzulenken, hatte sie nur von ihm und seinem überlegenden Wissen lernen und ihn keinesfalls belehren wollen. Sie unterwarf sich völlig seiner Meinung – und fand so genau den Punkt, der Heinrich versöhnte. Als die Nacht vorbei war, war Heinrich von der Unschuld seiner Frau überzeugt. Als am nächsten Tag König und Königin im Garten spazierten, erschien die Wache, die nicht über die Versöhnung informiert war, um Catherine festzunehmen. Heinrich verjagte sie mit zornigen Worten. Catherine war sicher. Gardiner und seine Helfer fielen in Ungnade. Heinrich selbst starb etwa ein halbes Jahr später.
Catherine Parr heiratete erneut und starb bei der Geburt ihres einzigen Kindes im Jahr 1548. Ironischerweise wurde gerade diese intelligente Frau mit den tiefen Überzeugungen von ihrer Fähigkeit, diese zu verleugnen, vor dem Tod unter dem Henkersbeil gerettet. Aber ihr Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen.
Quelle:
The Tudor Tutor: Why it was almost “Divorced, beheaded, beheaded”