Thomas Cromwell, Sohn eines Schmieds, Söldner, Anwalt und höchster Minister Heinrichs VIII., rückte durch die Serie “Wölfe” und die dazugehörigen Romane von Hilary Mantel zum ersten Mal mitten ins Licht der geschichtsinteressierten Öffentlichkeit. Die Tudor-Zeit ist so voller schillernder, auffälliger Persönlichkeiten, dass der vermeindlich unscheinbare Cromwell oft übersehen wird – halt einer von den vielen Staatsmännern, die Heinrich VIII. aufs Schafott schickte.

Aber war er wirklich nur ein unscheinbarer Diener des Königs – oder vielmehr das strategische Gehirn hinter manchem königlichen Entschluss? Ein brillanter, rücksichtsloser Organisator des Königreichs, ein Mann, dessen Pragmatismus und Machtfähigkeit Heinrichs Politik entscheidend formten.

Thomas Cromwell kam etwa 1485 in bürgerlichen Verhältnissen zur Welt. Nicht viel ist über sein frühes Leben bekannt. In den 1520er Jahren begann seine eigentliche Karriere im Haushalt von Thomas Wolsey, dem mächtigen Kardinal und Lordkanzler. Cromwell stieg dort schnell zum engsten Vertrauten und Verwalter auf. Als Wolsey fiel, nutzte Cromwell seine Erfahrung, sein Netzwerk und sein politisches Geschick, um im Privy Council Fuß zu fassen. Er avancierte zum Schatzkanzler, wurde in den Hosenbandorden aufgenommen und fungierte als königlicher Sekretär. Als Generalvikar setzte er im Sinne Heinrichs eine fundamentale Umwandlung der Kirche in England durch und leitete die berühmt-berüchtigte Auflösung der englischen Klöster ein. Sein Vorgehen war effizient, oft brutal pragmatisch: Klöster auflösen, Besitz umschichten, kirchliche Macht zurückdrängen. Sein protestantischer Glaube, sein kompromissloser Stil und nicht zuletzt sein steiler sozialer Aufstieg machten ihn zu einem Magneten für Neid und Hass.

Als er die Ehe mit der protestantischen Anna von Kleve in die Wege leitete – und diese Ehe scheiterte – fielen die Intrigen von Cromwells Gegner auf fruchtbaren Boden beim König. Thomas Cromwell wurde wegen Hochverrat und Ketzerei zum Tode verurteilt und am 28.07.1540 hingerichtet.

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Dies zur Biographie von Thomas Cromwell. Hier nun einige weniger bekannte, oft überraschende Infohäppchen, die Cromwells Leben und Nachwirkung in einem anderen Licht zeigen:

10 Dinge Thomas Cromwell

10 Dinge, die Ihr noch nicht über Thomas Cromwell wusstet

 

1.) Thomas Cromwell hatte eine uneheliche Tochter namens Jane, über die nur sehr wenig bekannt ist – außer, dass sie, anders als ihr Vater, ihr Leben lang eine überzeugte Katholikin war.

2.) Oliver Cromwell, der Mitte des 17. Jahrhunderts gegen König Charles I. revoltierte, ihn stürzte und England zeitweilig in eine Republik umwandelte, war ein Urgroßneffe von Thomas Cromwell.

3.) In seinen jungen Jahren verdingte Thomas Cromwell sich als Söldner auf dem Kontinent. Er kämpfte in der französischen Armee bei der Schlacht von Garigliano (bei Neapel) gegen die Spanier. Frankreich unterlag, und Spanien gewann die Kontrolle über Neapel für mehrere Jahrhunderte.

4.) Alle Kinder von Thomas Cromwell starben am englischen Schweißfieber (“Sweating Sickness”). Seine Töchter Anne und Grace starben 1529 im Kindesalter, sein Sohn Gregory starb 31-jährig 1551, elf Jahre nach der Hinrichtung seines Vaters.

5.) Nach der Auflösung der Klöster erhielt Cromwell den unrühmlichen Beinamen “Hammer of the Monks” (Hammer der Mönche), vermutlich angelehnt an den Beinamen Edwards I., “Hammer of the Scots” (Hammer der Schotten), wegen seiner in “Braveheart” verstümmelten Feldzüge gegen Schottland.

6.) Thomas Cromwell ließ nicht nur Klöster auflösen, sondern auch massenweise Bücher vernichten, die als “papistisch” oder “abergläubisch” galten. Die damals bereits über 400 Jahre alte Universität von Oxford verlor dabei ihren gesamten Bibliotheksbestand und blieb bis 1602 buchlos.

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7.) Einer der Anführer der katholischen “Pilgrimage of Grace“, Thomas Darcy, 1st Baron Darcy of Darcy, gab vor seiner Hinrichtung Cromwell die prophetische Warnung mit auf den Weg, dass andere, die in so hohen Gunsten wie Cromwell standen, das gleiche Schicksal wie  das, das Cromwell Darcy gebracht hatte, erlitten hätten.

8.) Cromwell wurde zum Tode verurteilt, ohne je einen Prozess gehabt zu haben.

9.) In vielen Filmen und Serien wird es so dargestellt, dass zu Cromwells Hinrichtung aufgrund eines unfähigen Henkers mehrere Schläge mit der Axt nötig waren, um Cromwells Kopf abzuschlagen. Doch historische Beweise finden sich dafür nicht.

10.) Heinrich VIII. hatte sich schnell zu Cromwells Todesurteil überreden lassen, aber scheinbar bereute er es anschließend fast genauso schnell wieder. Er beschwerte sich, man habe ihn mit falschen Beschuldigungen dazu gebracht, den treuesten Diener, den er je gehabt hatte, zum Tode zu verurteilen. Dieses Bedauern äußerte er bei sonst niemandem, der durch seinen Befehl starb.

Thomas Cromwell bleibt eine Figur voller Widersprüche: Aufstieg aus dem Nichts, skrupellose Effizienz, religiöser Eifer, kulturelle Zerstörung, persönliches Leid und letztlich ein dramatischer Fall. Genau diese Mischung macht ihn so faszinierend für uns heute, besonders für uns, die wir uns für die intime, dramatische Geschichte der Tudors begeistern. Wer war er wirklich: ein Reformator, ein Opportunist, ein moderner Staatsmann oder ein rücksichtsloser Intrigant? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen – und genau das macht das Studium seines Lebens so spannend.

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