Das State Opening of Parliament, dass (zumeist) jährlich im Londoner Palace of Westminster stattfindet, ist der zeremonielle Auftakt der neuen Sitzungsperiode des britischen Parlaments durch den konstitutionellen Monarchen, im aktuellen Fall durch Elizabeth II. Dabei verliest die Queen eine Rede, die die Regierung für sie geschrieben hat. Sie enthält die Pläne der Regierung für die kommende Legislaturperiode.

In fast jedem Jahr, seit sie 1952 Königin wurde, hat Elizabeth II. diese Zeremonie durchgeführt. Lediglich in den Jahren 1959 und 1963, als sie mit ihren Söhnen Andrew und Edward schwanger war, ließ sie sich vertreten.

Die Geschichte des State Opening of Parliament geht auf das 16. Jahrhundert zurück. In der Moderne wurde es von Edward VII., Sohn von Königin Victoria, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederbelebt.

Die Zeremonie ist voller Traditionen, deren Ursprung Jahrhunderte zurück reichen.

 

 

Ort des Geschehens: Der Palace of Westminster

Das britische Parlament besteht aus zwei getrennten Einheiten: Dem Haus of Lords (auch House of Peers, “Oberhaus”) und dem House of Commons (“Unterhaus”). Im House of Commons sitzen die Politiker, die das Volk gewählt hat, einschließlich des Premierministers. Das House of Lords hingegen besteht aus Adeligen und Geistlichen (weltliche und geistliche Lords). Jeder Gesetzentwurf muss von beiden Häusern genehmigt werden, wobei das House of Lords nur aufschieben, aber nicht endgültig ablehnen kann.

Der ursprüngliche Palast von Westminster war eine Reihe verschiedener Gebäude aus dem Mittelalter. Der heutige Palast stammt aus dem Jahr 1858 und wurde von Queen Victoria eingeweiht. Sein Aufbau soll die britische Demokratie wiederspiegeln: In einem Flügel befindet sich das House of Lords, im anderen das House of Commons. Beide Flüge treffen in einem großen runden Raum aufeinander, in dem sich Mitglieder beider Häuser miteinander als auch mit Bürgern treffen konnten. Dieser Raum heißt Central Lobby  und ist einer der Wortstifter des Lobbyismus.

 

Die Ehren-Hauptrolle: Die Kronjuwelen

State Opening of Parliament: Tradition trifft Politik

Eine spezielle Rolle beim State Opening of Parliament spielen die Kronjuwelen, die zu anderer Zeit im Jewel House des Tower of London betrachtet werden können. Die Queen trägt zu diesem Anlass die Imperial State Crown, das Great Sword of State sowie die Cap of Maintenance sind ebenfalls Teil der Zeremonie.

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Die Imperial State Crown wurde für die Krönung von Victoria 1838 gefertigt und dann überarbeitet bzw. neugebaut, um sie femininer und leichter zu machen. Sie wiegt etwa 1 kg und beinhaltet einige legendäre Edelsteine: Den 2. Stern von Afrika, den Rubin des Schwarzen Prinzen und Perlen, die einst den Hals von Elizabeth I. zierten.

Die Kronjuwelen reisen auf geheimen Wegen vom Tower zum Buckingham Palace. Einen Tag vorher trägt die Queen die Krone zur Probe, um sich an das Gewicht zu gewöhnen. Zum Palace of Westminster reisen die Kronjuwelen in eigenen Kutschen.

 

Der Ablauf des State Opening of Parliament

Bevor das State Opening of Parliament beginnt, durchsuchen die Yeomen of the Guard zeremoniell den Keller des Palace of Westminster. Diese Tradition geht auf die sogenannte Pulververschwörung (“Gunpowder Plot“) 1605 zurück, als unzufriedene Katholiken um Guy Fawkes den protestantischen König James I. mitsamt seiner Familie und dem Parlament in die Luft sprengen wollten. Dazu lagerten sie 32 Fässer Schießpulver im Keller des Palastes. Das Komplott wurde jedoch aufgedeckt und vereitelt, und bis heute feiern die Briten am 5. November das Fehlschlagen dieses Attentats am “Guy Fawkes Day”.

Wenn die Queen ankommt, betritt sie das Gebäude durch einen eigenen Eingang (Sovereign’s Entrance) im Victoria Tower und geht von dort aus in den “Robing Room”, in dem sie die Krone aufsetzt. Danach zieht sie in das Oberhaus ein, wo sie auf dem Thron Platz nimmt. Vier Pagen, die alle kleiner sein müssen als die Queen, tragen ihre Schleppe – und bekommen dafür einen Tag schulfrei.

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Ihr Ehemann sowie der Thronfolger mitsamt Gattin begleiten die Queen in der Regel zur Zeremonie.

State Opening of Parliament: Tradition trifft Politik
Wood panelled room with high ceiling containing comfortable red padded benches and large gold throne. by UK Parliament under CC-BY 3.0

Black Rod

Nun muss die Queen noch jemanden schicken, der die Mitglieder des House Of Commons zu ihr holt. Nicht nur wäre es natürlich ungebührlich, wenn der Monarch sich seine Gesprächspartner selbst holen müsste, es ist ihm schlicht verboten, das Unterhaus zu betreten. Schuld daran ist Charles I. Dieser stürmte 1642, nur wenige Jahre vor dem Ausbruch des englischen Bürgerkrieges, das Unterhaus und verlangte die Auslieferung fünf rebellischer Parlamentsmitglieder. Der König war erbost darüber, dass sich das Parlament seinen Wünschen entgegenstellte und verlangte Gehorsam. Doch das Parlament entgegnete, dass es in erster Linie dem Volk diene – zum ersten Mal wurde der Wille des Volkes über den Willen des Königs gestellt. Dass Charles nun versuchte, seinen Willen durchzusetzen, führte zu so starken Spannungen, dass der Bürgerkrieg schließlich unvermeidbar wurde. Der König zahlte mit seinem Kopf.

State Opening of Parliament: Tradition trifft Politik

Ebenfalls auf Charles I. geht die Tradition zurück, dass im Buckingham Palace ein Mitglied des Unterhauses als “Geisel” gehalten wird, während der Monarch sich im Parlament aufhält. Zudem hängt im “Robing Room” eine Kopie des Todesurteils Charles’ I.. Dies soll jeden Monarchen daran erinnern, was passieren kann, legt man sich mit dem Parlament an.

Die Aufgabe, das House of Commons zu holen, fällt dem sogenannten Black Rod (vollständig: Gentleman Usher of the Black Rod) zu. Offiziell ist Black Rod für die Sicherheit des Palastes von Westminster zuständig, und seine Position geht auf das 14. Jahrhundert zurück.

Nun geht also Black Rod im Auftrag des Monarchen den Hauptflur des Gebäudes in Richtung des House of Commons hinunter. Wie es die Tradition will, wird ihm die Tür des House of Commons erst einmal vor der Nase zugeschlagen. Also klopft er dreimal mit dem schwarzen Stock, der seinem Amt den Namen gab, an die Tür des House of Commons. Immer an die gleiche Stelle, wo sich mittlerweile deutliche Spuren zeigen. Nun werden die Türen geöffnet, Black Rod wird angekündigt und darf eintreten. Nun ruft er die Commons mit stets den gleichen Worten ins Oberhaus: “Mr. Speaker, the Queen commands this honourable house [wobei er beiden Seiten des Hauses zunickt] to attend her majesty immediately in the House of Peers.”

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State Opening of Parliament: Tradition trifft Politik
Chamber of the House of Commons by UK Parliament under CC BY 3.0

 

The Queen’s Speech

Nun steht der Sprecher der Commons auf und macht sich zusammen mit Black Rod auf den Weg zum House of Lords. Ihnen folgen der Premierminister, der Oppositionsführer und das restliche House of Commons.

Während die Commons ins Oberhaus gehen, machen sie viel Lärm und reißen den einen oder anderen Spruch. Damit zeigen sie traditionell, dass eigentlich sie es sind, auf die es ankommt, allem Prunk zum Trotz. Im House of Lords müssen sie dann trotzdem stehen, während sie der Rede der Queen lauschen.

Wie gesagt war es jedoch die Regierung, die die Rede der Queen geschrieben hat, und die diese nun vorliest. Sie tut dies in einer neutralen Stimme. So ist nicht erkennbar, mit welchen Maßnahmen sie einverstanden ist und mit welchen nicht.

Ist die Rede beendet, verlässt die Queen mitsamt Begleitern das Oberhaus. Anschließend tun die Lords und Commons es ihr gleich. Durch einen anderen Ausgang natürlich.

Im Jahr 2017 kam es aus organisatorischen Gründen (wegen der vorgezogenen Neuwahlen) zu einer bescheideneren Version des State Opening of Parliament. Die Queen trug dabei statt Krone und Robe Kostüm und Hut. Die Krone wurde lediglich auf einem Kissen getragen. Und die Anreise erfolgte per Limousine, nicht per Kutsche.

In diesem Video kannst Du Dir die Höhepunkte des State Openig of Parliament 2017 ansehen:

 

The State Opening of Parliament: 2017

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1 Comment

  1. Sehr spannend! Vor allem die eigenartige Tradition, vorher den Keller zu durchsuchen. Davon hab ich noch nie gehört, passt aber ganz gut zum englischen Adel 😉

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