“Reign”: Amerikas Freude an historischen TV-Formaten ist nach den “Tudors” zurückgekehrt. Naja… das Wort “historisch” benutze ich hier im weitesten Sinne. “Die Tudors” waren bereits alles andere als ein Paradebeispiel für historische Genauigkeit. Nun findet also die Lebensgeschichte von Maria Stuart, Königin der Schotten, mit “Reign” ihren Weg auf die TV-Bildschirme. Lebensgeschichte im weitesten Sinne. Erneut. Denn das, was “Reign” hier bietet, hat mit Geschichte ungefähr so viel zu tun wie das Dschungelcamp mit anspruchsvoller Fernsehunterhaltung. Ja, wirklich. Aber zumindest war es mal wieder äußerst lehrreich.

10 Dinge, die ich von "Reign" gelernt habe

10 Dinge, die ich von “Reign” gelernt habe

1.) Zu einer Zeit, zu der Fußball Todesopfer fordert und in seinem Heimatland England gleich ganz verboten ist, spielen in Frankreich Nonnen unbekümmert Fußball mit jungen, adeligen Mädchen.

2.) Elizabeth I. ist so beeindruckend, dass der englische Hof schon ein Jahr vor ihr (zu Zeiten ihrer streng katholischen Schwester Mary) protestantisch ist und Giftanschläge verübt. Und natürlich muss man das nach fehlgeschlagener Tat dem geplanten Opfer auf die Nase binden.

3.) Zeitgenössische Musik ist total überschätzt. Will man ein historisches Setting untermalen, kann man ebensogut moderne Musik mehrmals pro Episode plärren lassen. Wer braucht schon Ambiente.

4.) Hofdamen wurden damals unter den Aushilfen von H&M rekrutiert.

5.) Mit vier Hofdamen namens Mary, die der Königin namens Mary dienen, wäre das Publikum klar überfordert gewesen. Anstatt sie nun einfach bei ihren Nachnamen zu nennen (wie sonst immer), macht eine Umbenennung viel mehr Sinn: “Kenna”, “Was weiß ich 1”, “Was weiß ich 2” und “Lola”. Und natürlich war Lola damals ein ganz normaler Frauenname.

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6.) Im Frankreich des 16. Jahrhunderts trug man schulterfreie oder zumindest ärmellose Ballkleider, die vermutlich von den Hofdamen-Aushilfen bei H&M mitgenommen wurden.

7.) Frankreich war der reinlichste Hof des ganzen Zeitalters. Ständig badete jeder. Das Publikum hätte wohl alles längst nicht mehr so romantisch gefunden, wenn es gewusst hätte, wie häufig man damals wirklich gebadet hat…

8.) Traditionell wurden Hochzeiten am französischen Königshof mit einem Tanz gefeiert, der sich “Die zukünftige Dauphine und ihre Hofdamen hüpfen kichernd, barfuß und in ärmellosen Kleidern zu moderner Musik im Kreis” nennt.

9.) Du bist die unverheiratete, jungfräuliche Königin von Schottland, und von Deiner Tugendhaftigkeit hängt Deine zukünftige Vermählung ab? Egal, reite einfach mit einem attraktiven Prinzen vollkommen alleine stundenlang durch die Landschaft.

10.) So etwas wie Tango wurde in Portugal nicht nur schon im 16. Jahrhundert getanzt, sondern man tat das sogar am Hof in aller Öffentlichkeit. Beeindruckend fortschrittlich, so 300 Jahre zu früh. Und auf dem falschen Kontinent.

Ehren-11.) Die wertvollste Lektion: Nur, weil eine Serie mit historischen Namen aufwartet, muss sie noch lange nicht auch nur das Entfernteste mit Geschichte zu tun haben. Vielleicht ist sie auch einfach nur platte, kitschige Teenagerunterhaltung, die sich schämen sollte, historische Personen in alberne Fantasiekleider zu stecken und zu moderner Musik “Paris, 90120” aufführen zu lassen.

Und falls Ihr mir nicht glaubt: In diesem Artikel können Bilder “bestaunt” werden. (Update: Im Originalblog leider verschwunden, aber kann hier noch gelesen werden)

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10 Comments

  1. Kirsten Wegner says:

    Ich habe Deinen Block im Zuge meiner Recherchen zum Thema Heinrich VIII. gefunden, da ich mich beim Betrachten der Serie “Tudors” parallel wieder “auf Stand” bringen wollte. Man vergißt ja doch immer wieder die Reihenfolge, wann wer gemordet hat und dann wann wer und warum ermordet wurde .-)
    Naja, nun schaue ich mir eben eine Menge schöner Menschen in schönen Kostümen im schönen Kerzenlicht an, weniger historische Fakten. Und wenn ich Authentischeres sehen möchte, schaue ich The Lion in Winter…für mich grandioses Historien-Kino! Auf jeden Fall ein großes Lob von mir an Deine Texte, besonders gefällt mir die Ironie darin, aber auch die Sachkenntnis, soweit ich das beurteilen kann. Mehr davon!

  2. StefanieNorden says:

    Hallo Kirsten,

    vielen Dank für das Lob!

    “The lion in winter” gefällt mir ebenfalls sehr gut.

    Viele Grüße & ein schönes Wochenende

    Stefanie

  3. Chotti says:

    Ist schon richtig, dass historisch da einiges falsch ist, aber dennoch finde ich die Serie sehr lehrreich. Ich habe mich nämlich beim Schauen immer wieder mit den historischen Hintergründen auseinander gesetzt. Beispielsweise wann und warum die Bourbonen den französischen Thron übernahmen oder auch welche Bedeutung der Konflikt zwischen Mary und Elizabeth für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten hatte bzw. warum letztendlich doch ein Stewart auf dem Thron saß. Bezeichnend fand ich auch zu sehen, welchen Einfluss der Vatikan in dieser Zeit hatte.
    Aber natürlich ist es auch wichtig zu erkennen, dass sich einiges oder auch vieles nicht historisch nachweisen lässt.

    1. StefanieNorden says:

      Dann ist aber streng genommen nicht die Serie lehrreich, sondern Deine Recherche dazu 😉

      Die Zuschauer zu motivieren, sich selbst zu informieren, ist natürlich eine sehr gute Sache. Ich fürchte nur, dass “Reign” dieser Aufgabe auch nicht gerecht wird und sich viel zu viele Zuschauer mit dem vermittelten Falschwissen zufrieden geben werden.

      Und es gibt so viele gute historische Serien, bei denen man sich mit weniger Unsinn und Popkultur zu tiefergehenden Recherchen motivieren lassen kann 🙂

  4. Haha danke! Die Serie macht mich so fertig! Diese Musik und diese Kleidung…vom Rest wollen wir gar nicht erst sprechen…

  5. Mona says:

    Oh ja, ist auch sehr sehr schlimm Geschichte für die nun mal heutige moderne Gesellschaft anschaulicher zu machen. Nehmt doch mal den Stock aus dem Hintern… Durch die Serie haben sich gewiss eine Vielzahl an Zuschauern mehr für die Geschichte von damals interessiert als es sonst der Fall gewesen wäre. Anscheinend schwer anzunehmen für einige…

    1. StefanieNorden says:

      Meine Güte, dass die Fangirls immer gleich so angefasst reagieren müssen.
      “Anschaulich machen” und “Verdummung” sind nicht dasselbe. Ich bin immer dafür, Geschichte anschaulich zu machen, aber wenn historische Korrektheit einfach nur hinter Zuschauerservice und “weil’s sonst langweilig ist, keiner nackt ist und nicht alles so schön knallt” zurückgestellt wird, hat das für mich nichts mit Veranschaulichmachen zu tun.
      Und “eine Vielzahl der Zuschauer interessieren sich mehr für die Geschichte”? Für welche? Das, was wirklich passiert ist oder das, was Serien wie “Reign” dem Zuschauer bequem konsumierbar vorsetzen?

      Ich bin sicher, dass viele Vikings-Fans jetzt auch viel mehr über die Wikingerzeit wissen, weil sie anschließend ganz viel recherchiert haben. Ironie aus.

      Wenn Dir “Reign” gefällt, viel Spaß damit. Aber ich werde sicher nie behaupten, “Reign” und Konsorten hätten irgendeinen Wert für die historische Bildung der Zuschauer.

  6. Tudorliebhaber says:

    Hey! Dein Blog ist toll und deine Beiträge auch- vor allem bei dem hier, den ich schon mehrmals gelesen habe, musste ich immer wieder lachen!
    Zugegeben, ich mag die Serie- die Dramen, die Liebesgeschichten, aber ich muss auch gestehen, dass ich die Serie angefangen habe, nachdem The Musketeers geguckt hatte, die ja nur lose auf wahren Begebenheiten beruhen und daher mehr Spielraum hatten, und außerdem war ich der totale Geschichts-Muffel. Erst durch die Serie fing ich an, zu recherchieren, und war immer wieder entsetzt über die „künstlerische Freiheit“- bei Historienserien geht das halt nicht so gut.
    Auch die Kostüme, die Charaktere die einfach älter gemacht wurden, die Logikfehler und die moderne Musik (ernsthaft: The Musketeers hat’s auch ohne hingekriegt und ist der Hammer, oder?) sind wirklich nicht so toll, dennoch mag ich die Serie irgendwie. (Ja, ich geb’s zu: Beim Ende der vierten Staffel hab ich geheult…)
    Am Schlimmsten fand ich jedoch die Darstellung von Elisabeth I in der Serie: Ein männerhungriges bösartiges kleines Mädchen. (Ok, das ist etwas übertrieben, aber du verstehst hoffentlich, was ich meine)
    Ich bewundere Elisabeth I einfach- ein schwerer Weg lag hinter und vor ihr, von Geburt an, und doch kämpfte sie. Sie hatte keinen Mann, obwohl Frauen in ihrer Zeit kaum ein eigener Wille zugestanden wurde. Sie ist meine Heldin, weil sie eine (etwas grausame, aber das ist der Preis der Macht) starke Frau war.
    Das hat jetzt nicht wirklich zu Reign gehört, entschuldige, aber das musste auch mal raus und jeden den ich kenne habe ich bereits über die Tudors vollgequatscht.
    Also: Nochmal, danke, toller Beitrag!

  7. MissEllieD. says:

    Also ich kann einerseits verstehen, dass es Leute gibt, die das womöglich stört, aber es gibt tatsächlich Leute, die wollen manchmal einfach “abschalten” nach der Arbeit und nicht viel nachdenken und denen ist es dann auch egal wie historisch korrekt das ist, weil wir normalen Leute keine Historiker sind. Natürlich weiß ich selbst als Nicht-Historikerin, dass die Kostüme völlig übertrieben modern sind teilweise oder die Musik nicht passt und dass die Ereignisse demnach wohl auch nicht wirklich korrekt Wien können, aber ich habe angefangen es einfach als “Fantasy-Historien Serie” zu betrachten, denn mir gefällt die Serie dennoch, denn sie ist immer spannend und man fiebert mit den Charakteren mit und kann sich gut in sie hineinversetzen und darum geht es mir bei guter Unterhaltung. Wenn ich Lust habe etwas historisch korrektes zu sehen, dann schaue ich mir eine Doku an oder etwas anderes, wo man weiß dass es historisch korrekt ist. Einer der Gründe warum ich angefangen hab die Serie zu gucken waren die hübschen Kostüme. Es ist eben einfach etwas fürs Auge, egal ob die damals so rumgerannt sind oder nicht. Ich finde es ist eben auch eine Art künstlerische Freiheit von den Regisseuren gewesen das auf diese Art und Weise zu machen und vermute Mal, dass es Absicht war, dass alles nicht 100 % akkurat ist, um auch ein junges Publikum damit anzusprechen…die ansonsten wahrscheinlich gar kein Historiendrama gucken würden.
    Man muss das Ganze halt nur mal etwas weltoffener betrachten und nicht alles gleich verteufeln, weil man es zu engstirnig sieht.

  8. Robert Raab says:

    Bei solchen Serien wie Reign wird erst gar nicht versucht zu behaupten es wäre alles so gewesen. Ganz anders viele “Dokus” bei denen so getan wird, die Autoren wüssten bescheid und Spekulation von unumstößlichen Fakten kaum zu unterscheiden sind.

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